Antwort von Miep Gies: "Hierzu muss ich sagen, dass meine persönliche Geschichte eine Rolle spielte. In meinem Heimatland Österreich hatte von 1914 bis 1919 Krieg geherrscht und es hatte dadurch viel von dem verloren, was es einst besessen hatte. Nahrungsmittel waren knapp, und mit elf Jahren erkrankte ich an Tuberkulose. Meine Eltern konnten nicht ausreichend für mich sorgen, und als sich die Möglichkeit bot, mich für einige Zeit zur Erholung in die Niederlande zu schicken, meldeten sie mich dazu an.
Ich kann mich daran erinnern, dass ich während der Zugfahrt ab und zu weinte. An einer Kordel trug ich ein Schild mit einem unaussprechlichen Namen um den Hals, auf dem Rucksack stand mein Name: Hermine Santruschitz. Nach 1.100 Kilometern mit dem Zug kam ich in den Niederlanden an und wurde in eine Familie aufgenommen, die eine fremde Sprache sprach. Meine Pflegeeltern hatten fünf Kinder und lebten von einem bescheidenen Einkommen. Dennoch teilten sie alles mit mir und schickten mich auf eine gute Schule. Endlich konnte ich mich revanchieren, indem ich anderen Menschen half! Ich ahnte, dass ich es bereuen würde, wenn ich jetzt nicht geholfen hätte. Ich hoffe, dass jeder mein Handeln nachvollziehen kann und meinem Beispiel folgt, wo immer es notwendig ist."